Die Corona-Pandemie hat Unterrichtsgeschehen und Arbeitsbedingungen völlig durcheinandergewirbelt, ja letztlich das gesamte Schulwesen auf den Kopf gestellt. Damit haben sich bereits mehrere Gerichte beschäftigt. Ein Überblick zur bisherigen Urteilslage.

Die zuständigen Landesregierungen, auch in Nordrhein-Westfalen, mussten angesichts der Corona-Krise in einer bislang nie dagewesenen Situation, Dimension und Schnelligkeit Entscheidungen treffen. Kein Wunder, dass nicht alle Maßnahmen zu Ende gedacht werden konnten und auf Gegenliebe oder wenigstens Verständnis gestoßen sind.

In zahlreichen Fällen sind Auseinandersetzungen um die Maßnahmen bereits vor Gerichte getragen worden. Es handelt sich nahezu um das ganze Spektrum der denkbaren und fast erwartbaren Konstellationen:

Es geht um Fälle von Lehrerinnen und Lehrern, von Eltern und von Schülern; es geht um Fälle, in denen Maßnahmen der Behörden im Zuge der Corona-Pandemie entweder als nicht weitgehend genug oder als über das Ziel hinausschießend angesehen werden.

Was auf Lehrkräfte zukommen kann

Dieser Beitrag soll einen Überblick vor allem für Lehrkräfte geben. Denn für diese geht es um Berufsausübungs-, Arbeits- und letztlich auch gesundheitliche Rahmenbedingungen in der aktuellen Zeit und zumindest absehbaren Zukunft. Sie sollen auch grob einschätzen können, welche Maßnahmen sie voraussichtlich hinnehmen müssten und welche wahrscheinlich mit Erfolg abgewendet werden könnten. Es tut dabei nichts zur Sache, wenn hier Entscheidungen aus anderen Bundesländern zitiert werden und bei Erscheinung dieses Beitrags die Bedingungen an Schulen sich nicht mehr überall genau mit den Sachverhalten decken, die den beschriebenen Gerichtsentscheidungen zugrunde liegen. Denn es geht nur um ganz grundsätzliche Fragen, mit denen jedenfalls auch dann wieder zu rechnen ist, wenn Landesregierungen wieder gezwungen sein sollten, entsprechende Verhältnisse herzustellen.

Unterricht trotz Restrisiko

Trotz eines nicht auszuschließenden restlichen Gesundheitsrisikos müssen Lehrkräfte grundsätzlich an Schulen unterrichten. Eine Grundschullehrerin in Hessen hatte im Wege des Eilverfahrens versucht, sich gegen die Heranziehung zum Unterricht zu wehren. Sie hatte argumentiert, Land und Schulamt hätten nicht für ausreichende Schutzvorkehrungen gesorgt, das heißt weder für einen hinreichenden Hygieneplan noch für ein hinreichendes Arbeitsschutzkonzept.

Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Kassel sah das anders (Az. 1 B 1308/20): Die stufenweise Rückkehr in die Schulen mit Lerngruppen mit einer begrenzten Schülerzahl zur Gewährleistung des Mindestabstandes von 1,5 Metern und die Beachtung der Hygieneempfehlungen des Robert Koch-Instituts seien nicht zu beanstanden. Das Verwaltungsgericht (VG) Frankfurt, vor dem die Lehrerin in der Vorinstanz ohne Erfolg geblieben war, führte unter anderem aus, dass dem Dienstherrn ein Beurteilungsspielraum zukomme, der in zulässiger Weise genutzt worden sei (Az. 9 L 1127/20.F). Es könne nicht erwartet werden, mit einem bis ins Letzte ausgefeilten Hygieneplan eine Nullrisikosituation in der Schule anzutreffen.

Das Gericht verwies zudem auf die Treuepflicht, die die Lehrerin als Beamtin treffe. Verbeamtete Lehrerinnen und Lehrer hätten die Verantwortung der Schulen gegenüber Schülern und deren Familien im Rahmen der Daseinsvorsorge mitzutragen.

Auch den Antrag einer Lehrerin in der Funktion einer Konrektorin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das VG Gießen abgelehnt (Az. 5 L 1592/20.GI). Auch sie hatte vorgetragen, der Hygieneplan für die Schulen werde den besonderen Anforderungen der Grundschulen nicht gerecht. Hier hat sich das Gericht sogar süffisant die Bemerkung gestattet, dass die Antragstellerin als Konrektorin selbst Teil der Schulleitung sei und damit teilweise für die Umsetzung gesundheitlicher Konzepte und hier beispielsweise des Hygieneplans verantwortlich sei.

Drei Viertklässler, die nach Medienberichten mithilfe von Eilanträgen vor dem Oberverwaltungsgericht Münster ebenfalls verhindern wollten, in die Schule zurück zu müssen, hatten sich dagegen auf eine Benachteiligung gegenüber anderen stützen wollen. Nachdem aber auch die anderen Jahrgänge zurück in den Präsenzunterricht geholt wurden, hatten die drei Schüler ihre Anträge zurückgezogen.

Auch Schulschließungen rechtmäßig

In ein ganz anderes Horn blasen die Antragsteller zweier Eilverfahren, die sich gegen die Schließung von Schulen durch das Land Berlin am 17. März als eine der primären Reaktionen auf die Infektionen mit dem Corona-Virus gewandt hatten. Das Schließen der Schulen wegen der Corona-Pandemie war jedoch rechtmäßig, so das VG Berlin (Az. 3 L 166/20 und Az. 3 L 167/20).

Anstelle gesundheitlicher Risiken wurde hier die Hinderung am Zugang zur Schulbildung ins Feld geführt. Nach Ansicht des Gerichts handelt es sich aber nicht um eine Verhinderung, sondern lediglich übergangsweise Veränderung des Zugangs zur Schulbildung. Diese sei akzeptabel, soweit die Maßnahmen ständig überprüft würden und angemessene Angebote für Heimunterricht gewährleistet würden. Lebens- und Berufschancen der Schüler würden so nicht dauerhaft beeinträchtigt. Wegen der Unsicherheit der Prognosen der Lockerungen sei es auch gerechtfertigt, nach Jahrgängen zu differenzieren.

Gesundheitsschutz vor Berufs- und Handlungsfreiheit

In einem Fall vor dem VGH Baden-Württemberg ging es zwar nicht um die Schließung einer Schule, sondern die Schließung beziehungsweise zu geringe Aufrechterhaltung des Betriebes einer Kita. Ein Vater argumentierte unter anderem, durch die Betreuung seiner Kinder sei er in seiner beruflichen und allgemeinen Handlungsfreiheit eingeschränkt. Außerdem werde in den grundrechtlichen Schutz der Familie eingegriffen. Derartige Argumente könnten grundsätzlich auch zur Öffnung des Schulbetriebs eingesetzt werden. Im vorliegenden Fall ließ sich der VGH Baden-Württemberg aber nicht überzeugen: Berufsfreiheit und allgemeine Handlungsfreiheit müssten in der vorgegebenen Lage hinter dem Gesundheitsschutz zurücktreten, vor allem, da keine Existenzgrundlagen bedroht seien und zudem die Notbetreuung genutzt werden könne. In den Schutz der Familie werde auch nicht eingegriffen, selbst wenn erhebliches Konfliktpotenzial entstehen könne – es komme insofern darauf an, dass die Familie mehr Zeit miteinander verbringen könne und die Eltern freier in der Erziehung seien (Az. 1 S 1216/20).

Christopher Lange

Originalausgabe (PDF-Datei)


 

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