Die Corona-Krise beherrscht wie kein anderes Thema auch den Sektor Schule. Darum und wegen der nahenden Kommunalwahl rückt das Neutralitätsgebot in den Fokus.

Über mehrere Monate konnte in den Schulen kein regulärer Unterricht stattfinden. Es wurde über Gesundheitsschutzmaßnahmen und Hygienemaßstäbe gestritten, es wurden Varianten des Fernunterrichts ’ausprobiert’. Nun findet der Schulbetrieb wieder als Präsenzunterricht statt. Die überwiegende Zahl der Bundesländer schreibt zudem einen Zwang zum Tragen von Masken in unterschiedlichen Varianten vor.

Über das Für und Wider, über gesundheitliche, lernpsychologische und sogar gesellschaftliche Auswirkungen werden heftige Auseinandersetzungen geführt. Wer sich eben noch nach Wochen zäher Pandemie auf den Schulbetrieb mit leibhaftig anwesenden Kolleginnen und Kollegen sowie der Schülerschaft gefreut hatte, dem wird diese Freude unter einer Luft raubenden Maske wieder jäh genommen. Der Fokus aller Beteiligten und Betroffenen ist nachvollziehbar nahezu vollständig auf diese bedrückenden Umstände gerichtet.

Die Kommunalwahl wirft ihre Schatten voraus

Kann es vor diesem Szenario überhaupt noch eine andere Thematik geben, die daneben Beachtung finden muss? Ja, und diese wirft wegen des nahenden Datums ihre Schatten voraus: die Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen am 13. September. Diese strahlt insoweit auf den Schulbereich aus, als dort ein Neutralitäts-, Mäßigungs- und Zurückhaltungsgebot gilt. Das bedeutet, dass in den Schulen kein Wahlkampf ausgetragen werden darf und Parteipolitik außen vor bleiben muss. Dies schließt eine Meinungsäußerung einer Lehrkraft als Bürgerin oder Bürger nach Artikel 5 Grundgesetz, quasi ’privat’ und nicht als Amtsperson allerdings nicht aus.

Auch in Corona-Zeiten haben diese Verhaltenspflichten der Lehrer und Schulleitungen medial Beachtung gefunden, weil die Schulaufsicht im Frühjahr offenbar Lehrerinnen und Lehrer sowie Schulleitungen ausdrücklich auf die Beachtung dieser Verhaltensgebote hingewiesen und ermahnt hatte, sich in der Öffentlichkeit zu mäßigen. Die Bezirksregierung Münster, von der wohl ein entsprechendes Schreiben stammte, hatte dabei nach Presseangaben darauf verwiesen, dass dieses auf einem Erlass des Schulministeriums fuße.

Maulkorb für Schulleitungen?

Unter anderem die Opposition im Düsseldorfer Landtag hatte das Thema aufgegriffen. Sie hatte in den Anweisungen einen ’Maulkorb’ vor allem für Schulleitungen gesehen, die sich über die Pläne zur Öffnung der Schulen nach den Sommerferien kritisch äußern könnten. Es ist zwar zutreffend, dass im Sommer dieses Jahres der Kommunalwahlkampf in Nordrhein-Westfalen und Diskussionen über die Corona-Pandemie mit der Debatte um die umstrittene Öffnung von Schulen zusammenfallen. Der Gedanke an einen gezielten ’Maulkorb’ in dieser Lage erscheint allerdings zumindest nicht naheliegend, zumal derartige Weisungen vor Wahlkämpfen immer wieder erteilt werden und als üblich zu bezeichnen sind.

Eine andere Frage ist, ob derartige Hinweise generell gesehen überhaupt notwendig sind, denn es ist grundsätzlich anzunehmen, dass Lehrerinnen und Lehrer in Nordrhein-Westfalen ihren Dienst professionell ausüben und in diesem Rahmen auch keinen Zweifel daran lassen, nicht unzulässig Einfluss in eine bestimmte politische Richtung auszuüben. Außerdem haben in der jüngeren Vergangenheit die Diskussionen um die Haltung und das Engagement von Lehrkräften im Zusammenhang mit fridays for future-Aktionen oder Vorwürfe von Parteien, dass sie nicht unvoreingenommen zu Podiumsdiskussionen an Schulen eingeladen würden, im Zweifel für eine gesteigerte Sensibilität gesorgt.

Diskussion ja, Parteilichkeit nein

Im Detail gelten den Vorgaben des Schulministeriums in Nordrhein-Westfalen gemäß folgende Grundsätze für das Agieren von Lehrerinnen und Lehrern sowie Schulleitungen vor Wahlen: Wahlen können selbstverständlich Anlass für Lehrkräfte sein, die Bedeutung und Aufgaben der Politik für das Zusammenleben der Menschen im Staat und in der Gesellschaft – unter Wahrung der Unparteilichkeit der Schule – mit den Schülerinnen und Schülern zu diskutieren.

Die gebotene politische Neutralität der Schule verbietet es den Schulleitungen, Werbematerial politischer Parteien oder Einladungen zu parteipolitischen Veranstaltungen an das Lehrerkollegium, die Schülerinnen und Schüler oder die Eltern weiterzuleiten. Schule darf nicht als Postverteilstelle für parteipolitische Werbung genutzt werden (vergleiche § 56 Schulgesetz NRW; siehe auch §§ 2 Abs. 6, 57 Abs. 4 Satz 1 Schulgesetz NRW). Auch das Aushängen entsprechender Einladungen oder Plakate verbietet sich.

Schulen können auch zu Podiumsdiskussionen einladen, um einer interessierten Schülerschaft die Argumente verschiedener Parteienvertreter zu bestimmten politischen Themen vorzustellen. Es dürfen allerdings nicht nur Vertreter einzelner Parteien eingeladen werden; es besteht aber andererseits auch kein Anspruch jeder politischen Gruppierung auf Einladung. Die Veranstaltung sollte einen gewissen zeitlichen Abstand vor der Wahl einhalten (idealerweise etwa sechs Wochen) und sich thematisch auf Politikbereiche beziehen, die einen sachlichen Bezug zur Schülerschaft haben (siehe: www.schulministerium.nrw.de/sites/default/files/documents/Schulen-Politik.pdf).

Christopher Lange

Originalausgabe (PDF-Datei)


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