Portraits und Probleme

»Die Kleinen nach vorne, die Großen nach hinten! Und macht nicht so‘n grimmiges Gesicht!« So geht es zu bei einer Schulfotoaktion. Die ist meist eine Gaudi, aber sie birgt auch Fallstricke.

Wer hat nicht diesen oder einen ähnlichen Satz zu hören bekommen, meistens gegen Ende eines Schuljahres, meistens dabei gerade auf der Treppe vor der eigenen Schule stehend und meistens in einem Moment, in dem man von einem Klassenkameraden unsanft nach links oder rechts geschubst wurde. Es war der Moment, in dem das Klassenfoto zur Erinnerung an ein Schuljahr oder die gesamte Schulzeit aufgenommen wurde. 

 

Dem Smartphone widerstanden

Klassenfoto? – Gibt es das heutzutage eigentlich noch, in Zeiten, in denen immer mehr Schüler, unabhängig von Alter und Klassenstufe, ein Smartphone oder zumindest ein Mobiltelefon mit eingebautem Fotoapparat besitzen und dieses – anders als demnächst in Frankreich – mit in die Schule nehmen können. Man sollte meinen, die verbreitete Nutzung der Geräte, auch zum Fotografieren in allen Lebenslagen, sollte dazu geführt haben, dass professionelle Angebote für ein klassisches Klassenfoto inzwischen weder Schüler noch Lehrer hinter‘m Ofen hervor- oder besser vor eine Linse locken.

Weit gefehlt – der technische Fortschritt hat auch dazu geführt, dass Fotografen ganze Fotomappen mit verschiedensten Aufnahmen und Portraits anbieten können und dies vermehrt auch tun. Besonders attraktiv erscheinen solche Angebote, wenn für Schule und Schüler noch kostenlose Schülerausweise, Imagebroschüren oder gar finanzielle Vergünstigungen dabei herausspringen. 

Dafür sind Schulen nicht selten bereit, die ‘Foto-Shootings’ und das Vertreiben der fertigen Produkte im Schulalltag, insbesondere auch während des Unterrichtsverlaufs stattfinden zu lassen. 

 

Skeptische Eltern

Eltern sehen solche Aktionen oftmals weniger positiv. Ganz unabhängig von einer tatsächlichen Verpflichtung, entsprechende Fotos ihrer Kinder zu erwerben, fühlen sich immer wieder einzelne Väter und Mütter einem Zwang ausgesetzt, ebenso wie andere Eltern zu kaufen.

Betrachtet man derartige Fotoaktionen zudem aus der rechtlichen Linse, sollten Schulen sich noch intensiver überlegen, welchen Abstand sie in diesen Fällen von der Kamera halten. Die rechtlichen Fallstricke sind so bedeutend und aktuell, dass sich die Bezirksregierung Köln erst im Dezember letzten Jahres veranlasst sah, allen Schulen in ihrem Regierungsbezirk Hinweise zum Thema mit auf den Weg zu geben. 

Dass eine Schulfotoaktion nicht eindeutig mit den Normen des Schulrechts in Einklang zu bringen ist, können sich Schulleitung, Lehrpersonal, Mitarbeiter und Schüler zumindest dann an einer Hand abzählen, wenn wie allzu oft in Realität und Praxis der Unterricht betroffen ist oder das Schulpersonal beziehungsweise Schüler mit der Organisation, dem Verteilen der Bilder, dem Einsammeln des Entgeltes oder weiteren Aufgaben betraut sind. Diese Konstellationen bringen in der Regel spürbare Störungen der schulischen Abläufe mit sich. Nicht selten geht damit sogar ein messbarer Ausfall der Unterrichtszeiten einher. Nahe liegt dann zum Beispiel für jeden Beteiligten, dass der gesetzlich verankerte Bildungs- und Erziehungsauftrag der jeweiligen Schule nicht in Mitleidenschaft gezogen wird. 

 

Vertrieb verboten

Nicht ganz so offensichtlich ist dabei, dass allein schon der Vertrieb der Fotos als solcher nicht zulässig ist. Einzig Speisen und Getränke, die zum Verzehr in Pausen und Freistunden gedacht sind, dürfen in der Schule vertrieben werden. Mögen bei der Aktion auch noch so schöne Fotos herausgekommen sein, ihr Vertrieb bleibt nach §55 Abs. 1 Schulgesetz NRW verboten. Durch diese strikte Vorschrift sollen Schulen vor kommerzieller Nutzung durch Dritte sicher sein. Dies macht vor dem Hintergrund Sinn, dass Schülerinnen und Schüler sich wirtschaftlichem Handeln Dritter in der Schule aufgrund ihrer Schulpflicht schwerlich entziehen können und von daher ein besonderes Schutzbedürfnis haben.

Nichts anderes ergibt sich auch daraus, dass oftmals für die Bemühungen der Schule Gegenleistungen versprochen werden, die über die ‘Basis’ der Aktion ‘Fotos gegen Entgelt’ hinausgehen. Wieso, mag der eine oder andere denken, Schulen lassen sich doch auch auf andere Arten unterstützen, verbunden mit der Nennung des Unterstützers. Bei der Betrachtung externer Maßnahmen der Unterstützung einer Schule darf man jedoch nicht außer Acht lassen, dass diese den strengen Grundsätzen des Schulsponsorings nach § 99 Schulgesetz NRW folgen müssen. Bei den beschriebenen Fotoaktionen überwiegen die Vorteile des Schulfotobetriebs die Leistungen, die der Schule gegenüber erbracht werden. Ein schulischer Nutzen kommt bei Schülerausweisen und anderen Leistungen nicht wesentlich zur Geltung, so dass es sich um unzulässiges Schulsponsoring handelt. 

 

Fotoaktion ohne Gegenleistung

Zudem darf datenschutzrechtlich nicht übersehen werden, dass Schüleradressen ohne ausreichende Einwilligung keinesfalls an den Fotografen weitergegeben werden dürfen.

Letztlich können auch strafrechtliche Tatbestände wie etwa Vorteilsnahme im Hinblick auf die Gegenleistungen eine Rolle spielen.

Was ist nach allem die Konsequenz für den Schulalltag? Keine Fotos, keine Erinnerungen? 

Nein, einer Fotoaktion ohne Gegenleistung steht nichts im Wege – wenn sie zudem außerhalb der Unterrichtszeit passiert. Die Erinnerungen sind sicher genauso schön.

 

Christopher Lange

Originalausgabe (PDF-Datei)


 

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