Facebook-Chef Mark Zuckerberg hat zur Geburt seiner Tochter angekündigt, mit seiner Frau 99 Prozent seiner Facebook-Aktien im Wert von rund 45 Milliarden US-Dollar für wohltätige Zwecke stiften zu wollen – auf jeden Fall auch für ‘personalized learning’. Dies berichtet der ‘Spiegel’.

Warum engagiert sich Zuckerberg für das Personalisierte Lernen? Will er Zugang zu Software ermöglichen, mit der analysiert werden könnte, wie jeder einzelne Schüler auf der ganzen Welt lernt und wo seine Schwächen liegen? Zuckerberg möchte verheißungsvolle neue Technologien entwickeln, mit denen man schnell besser in den Fächern wird, die einen am meisten interessieren, und jede nötige Hilfe auf den Gebieten, die einem am schwersten fallen. So weit so gut. Aber sieht er dabei ‘nur’ den ideellen Gewinn oder nicht auch den ‘Gewinn’ an Daten?

Schöne neue Lernwelt?

Schulen in den USA wenden innovative Software zum Beispiel im Mathematikunterricht schon an. Die Schüler lernen an verschiedenen Stationen (in Gruppen, mit virtuellen oder echten Lehrern, oder allein vor dem PC). Am Ende jedes Schultages errechnet dann ein Online-Test, welche Aufgaben der Schüler am nächsten Tag lösen muss und erstellt dafür einen individuellen Lernplan.

Werden Lehrer dadurch überflüssig und folglich arbeitslos? Eher nicht. Probleme gibt es trotzdem:

  • Viele Lehrer fühlen sich schon dadurch wenig motiviert, das gar nicht genau definierbar ist, was »individualisiertes oder personalisiertes Lernen« ist.
  • Wer kann ihnen verlässlich sagen, ob und wie sie allen Kindern stets gleichzeitig gerecht werden sollen (32 Lernpakete für 32 Schüler?)?
  • An vielen Schulen fehlen nicht nur gut ausgebildete und gut bezahlte Lehrer, sondern auch entsprechendes Lehrmaterial, mit dem neue Ideen für den Unterricht umsetzbar wären.
  • Software kann nur so gut wie der sie anwendende Lehrer sein. Wer bezahlt aber die notwendigen Fortbildungen?
  • Sind letztlich besser bezahlte Lehrer in kleineren Klassen nicht effektiver als die hoch gelobten Technologien?

Auch mit Blick auf die Kinder tun sich viele offene Fragen auf:

  • Bei personalisiertem Lernen können Kinder den Eindruck gewinnen, sie seien grundsätzlich »nicht gut im Lesen« oder nicht der »kreative Typ«. Dies manifestiert damit Ungleichheiten.
  • Individualisiertes Lernen ist besonders dann nicht ‘besser’ als Frontalunterricht, wenn Schüler sich selbst überlassen werden und isoliert im Stoff vorankommen sollen, weil Lehrer schlecht geschult oder überfordert sind, komplexe Sachverhalte für alle gemeinsam zu erklären.
  • Ist die komplette Datensicherheit garantiert – auch vor späteren potenziellen Arbeitgebern-, wenn der Lernrhythmus jedes Schülers ermittelt, ein Unterrichtsplan errechnet und die Testergebnisse samt anderer vertraulicher Schülerdaten gespeichert werden?
Was auf uns zukommt

‘Bertelsmann’ Jörg Dräger spricht von den Chancen (und Risiken) der digitalen Bildungsrevolution, und die Stiftung selbst bedauert, dass in Deutschland die Skepsis überwiegt, wenn es um Big Data in der Bildung geht. Es bleibt zu hoffen, dass dies so bleibt. Auch die neue KMK-Präsidentin Claudia Bogedan aus Bremen will für die Chancengerechtigkeit und die Entkopplung des Bildungserfolgs von der sozialen Herkunft die digitale Bildung voranbringen.

Da darf dann das Ministerium für Schule und Weiterbildung auch nicht fehlen. Es beschäftigt eine neue Projektgruppe ‘Lehren und Lernen in der digitalen Welt’ – jedoch nur mit (sehr) wenigen Experten, nämlich zwei Vertretern aus allen Hauptpersonalräten. Lehrer sind ja in der digitalen Lerngalaxie eh nicht mehr so sehr gefragt, eher Scouts, Navigatoren oder Lernbegleiter…

Heribert Brabeck

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Anschluss erwünscht

2016. Neustart – aber die alten ‘Baustellen’, unter anderem das Vorhaben der Inklusion, werden uns wohl noch lange beschäftigen.

Interessant ist es dabei, über den Tellerrand hinauszuschauen – zum Beispiel in die Politik.
Jedem Menschen steht die vielzitierte ‘Teilhabe’ am Leben zu und die Schule als Institution soll Chancengleichheit ermöglichen, besser noch garantieren. Gilt das nur für die Schule?

Willkommen im Leben!

Das WDR-Fernsehen berichtete vergangenen Dezember über einen auf den Rollstuhl angewiesenen jungen Mann, der berufsbedingt per Bahn von Essen nach Bochum pendelt. Da aber in dieser Richtung an sämtlichen in Frage kommenden Bahnsteigen die Personenaufzüge defekt waren, musste er insgesamt die doppelte Strecke bis nach Dortmund fahren; da gibt es wenigstens einen funktionsfähigen Lastenaufzug! Ist das nicht diskriminierend? Außerdem musste er auf der Kellerebene weite Strecken des Bahnhofes durchqueren, um wieder einen passenden Bahnsteig zu erreichen, damit die Rückfahrt nach Bochum gelingen konnte – mit Ankunft an einem anderen Bahnsteig inklusive tatsächlich funktionierendem Personenaufzug. Dies musste über Wochen in Kauf genommen werden!

Ein Schelm, wer in dieser Odyssee auch eine Metapher für den Inklusionsprozess sieht.

Über die eigene Nasenspitze hinausdenken

Inklusion bedeutet Teilhabe für alle, sie ist also auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Darf transparente, interdisziplinäre und sinnvolle Arbeit mit möglichst erfolgreich ineinander greifenden Prozessen auch außerhalb des Systems Schule erwartet werden?

Ganz naiv gefragt: Wer fühlt sich da zuständig und ist es womöglich auch? Wo wird in Ministerien oder im Landtag erkennbar das getan, was von den Schulen gefordert wird? Man denke da beispielsweise an fachbereichsübergreifende Arbeit oder auch an kooperative Methoden, etwa das Beispiel ‘Jigsaw-Activity’ (Gruppenpuzzle): Die Grundlage ist immer die individuelle Erarbeitungsphase, also Einzelarbeit. Nicht nur als Schüler muss man zunächst sich selbst (!) mit der Sache vertraut machen, damit man in den nachfolgenden Phasen, zum Beispiel dem Austausch, den ebenso begeisterten ‘Mit-Arbeitern’ überhaupt etwas Sinnvolles mitzuteilen hat und sich zu Recht als Experte bezeichnen darf. Wie die konkrete Zusammenarbeit wohl bei ‘den Großen’ in der Politik aussieht? Da könnten wir Lehrer sicher noch viel Schönes lernen.

Qualitätsanalyse in der Politik?

Auch oft angeführt ist der Gedanke, dass alle Kinder gerne und intrinsisch motiviert arbeiten – der Erfolg käme dann quasi von alleine, man müsse sie halt nur in Ruhe machen lassen … ‘Größer’ gedacht stellt sich die Frage, ob das auch in der Politik zutrifft? Schließlich lassen die Wähler die Politiker nach der amtlichen Bekanntgabe von Wahlergebnissen weitestgehend in Ruhe arbeiten.

Gibt es zwischen politischen Gremien echten Anschluss, vertrauensvolle Zusammenarbeit, kollegiale Fallberatung und Supervision? Gibt es gar eine – Chancen beinhaltende – Qualitätsanalyse? Wer führt die durch, mit welchen Ergebnissen und Konsequenzen? Wie kann der interessierte Bürger davon erfahren?

Stoßen ausgerechnet da die Ideen von Transparenz und Gleichheit an Grenzen?

Endstation Sehnsucht

Auch im Hinblick auf Inklusion gilt: Nicht nur Lehrer, sondern inzwischen auch viele Eltern sehnen sich einfach nur noch danach, dass in den Schulalltag wieder Ruhe einkehrt. Wünschenswert ist es auch, dass endlich die Stimmen der Experten an der Basis – wieder Lehrer und Eltern – nicht nur gehört, sondern auch berücksichtigt werden! Auch das wäre Transparenz und Teilhabe für alle.Nicht ständige Neustarts, Schulversuche usw., sondern dauerhaft bestehende und klare Strukturen sowie Planungssicherheit sind die Grundlage für gelungene Bildungsprozesse.Brigitte Mahn

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didacta 2016 in Köln

Rund 100.000 Besucher und 850 Aussteller werden zur didacta, Europas größter und wichtigster Bildungsmesse, vom 16. bis 20. Februar in den Kölner Messehallen erwartet. Sie suchen Antworten auf die aktuellen Herausforderungen – von Inklusion bis Integration. Auch lehrer nrw ist mit einem Stand vertreten.

Vom 16. bis 20. Februar 2016 geht die weltweit größte Messe für den gesamten Bildungsbereich der Frage nach, wo und wie wir in Zukunft lernen und uns weiterbilden, wie Lehrkräfte sich auf die teils enormen Herausforderungen und Veränderungen einstellen und alle darüber hinaus mit den rasanten Veränderungen in unserer schnelllebigen Informationsgesellschaft umgehen können.

Ein thematischer Schwerpunkt der Messe wird die Auswirkung der Flüchtlingskrise auf das Bildungssystem in Deutschland sein und die Herausforderungen, denen Bildungsträger und Pädagogen deswegen gegenüber stehen. Zu den weiteren beherrschenden Themen gehören die Inklusion, die Besonderheiten des digitalen Lehrens und Lernens, die Lernatmosphäre und ihr Einfluss auf Schülerinnen und Schüler sowie das Selbstverständnis und die Professionalisierung von Erzieherinnen, Lehrkräften, Aus- und Weiterbildnern.

Das Rahmenprogramm mit hochkarätigen Foren, Workshops, Vorträgen, anspruchsvollen Seminaren, Sonderschauen und Podiumsdiskussionen rundet die didacta ab.
www.didacta-koeln.de

lehrer nrw auf der didacta

lehrer nrw ist auf der didacta mit einem eigenen Stand vertreten. Sie finden uns in Halle 6 auf Stand A059. Hier gibt es reichhaltige Informationen zum Verband, zum aktuellen Bildungsgeschehen und zu den anstehenden Personalratswahlen. Das Motto des Messeauftritts ist Programm: ‘Mit uns wachsen Ihnen Flügel’.

Zum Programm auf dem lehrer nrw-Messestand gehören unter anderem Lesungen des Kölner Autors David Fermer am 17. und 19. Februar. Fermer schreibt zweisprachige Jugendromane. Die Bücher erzählen authentische Geschichten in Englisch und Deutsch.

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Tagesscharfe Krankenstatistik

Seit dem 1. Januar 2016 müssen die Schulen den Krankenstand des gesamten Kollegiums elektronisch ‘tagesscharf’ erfassen. Allerdings können noch längst nicht alle Schulen die dafür vorgesehene Software nutzen.

Kurz vor den Weihnachtsferien 2015 erhielten alle Schulen eine E-Mail des Schulministeriums mit der Information und der Aufforderung, das Programm ‘Gesundheitsstatistik per PC’ (Kurz: GPC) zu installieren. Ziel ist es, die Daten schnell und anonymisiert in die jährliche Krankenstandserhebung des Ministeriums einfließen zu lassen.

Vorschnelle Einführung

Die Einführung des neuen Verfahrens scheint nicht hinreichend vorbereitet zu sein, denn es wurde nicht bedacht, dass in vielen Schulen nicht die Möglichkeit besteht, Programme auf die Verwaltungs-PCs selbstständig aufspielen zu können. Und da die Schulträger nicht rechtzeitig über die Einführung des Programms informiert wurden, besteht hier ein Stau. Konkret bedeutet dies, dass nicht alle Schulen bereits über das Programm verfügen. Somit können diese Schulen mit dem Programm aktuell nicht arbeiten. Voraussichtlich wird dieses Programm in einigen Kommunen erst im Februar oder März 2016 installiert werden.

Auch hinsichtlich der Kommunikation ist kritisch anzumerken, dass die Schulleitungen/Schulen hier vor vollendete Tatsachen gestellt wurden, ohne dass es dazu im Vorfeld eine Information gegeben hätte.

Vermeintliche Vorteile

Das Ministerium weist derweil darauf hin, dass die Schulleitungen/Schulen durch den Einsatz von GPC Arbeitserleichterungen erfahren werden. Demnach soll das Programm einige Verwaltungsvorgänge automatisieren. Neben der Erstellung von termingebundenen Musterschreiben, soll die Software auf wichtige Termine zum Beispiel im Rahmen eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) hinweisen.

Es bleibt darüber hinaus abzuwarten, ob die Daten zum Selbstzweck erhoben werden oder ob wirksame Maßnahmen im Zusammenhang mit Lehrergesundheit und Prävention daraus abgeleitet bzw. eingeführt werden. In diesem Zusammenhang ist sicherlich der Begriff der Vertretungsreserve zu nennen.

Frank Görgens

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