Worauf es jetzt ankommt

Wir leben weiterhin unter Corona in unruhigen Zeiten! Unsicherheit macht sich in unserem Land breit. Ein Ende ist zurzeit nicht abzusehen. Wir Menschen sind mehr oder weniger ‘von der Rolle’. Was war das jetzt gestern in den Nachrichten? Worauf müssen wir heute wieder gefasst sein? Das kann doch wohl nicht wahr sein, was da wieder passiert ist! Ja, wo leben wir denn! Kennt denn keiner mehr unsere Werte? Wo bleiben Anstand und Moral? Kaum ein Mensch beachtet Grenzen des Sagens, Handelns und Tuns. Wo soll das hinführen? Müssen wir im Chaos leben lernen? Wie lange? Warum? Was erdet uns jetzt? Wie soll es weitergehen? Bleibt Corona? Welche Handicaps bilden die Eckpfeiler unseres politischen, gesellschaftlichen, religiösen Lebens? Woher kommt Hilfe?

Dieser Schrei findet Ausdruck in allen Abendnachrichten eines jeden Tages. Häufig fassungslos verfolgen wir die News. Sie machen uns Angst und lassen uns in eine vermeintlich düstere Zukunft blicken. Warum ist das so?

Unvorbereitet in die Krise

Sicher ist zunächst einmal: Wir sind unvorbereitet in die Krise geraten! Corona hat uns überfallen – quasi über Nacht! Und offenbar waren und sind wir auf ein solches Szenario wie jetzt völlig unvorbereitet. Niemand hat uns vorgewarnt, niemand hat uns gelehrt, wie man mit dieser Krise fertig werden kann. Der letzte Krieg in Deutschland ist Jahrzehnte her, genau 75 Jahre, also fast ein ganzes Menschenleben – so what?

Warum jetzt? Warum wir? Es ging uns doch so gut! Katastrophen schienen sehr vorhersehbar. Wir waren eigentlich auf alles vorbereitet! Oder doch nicht? Wie hat sich da plötzlich mitten unter uns etwas Unbekanntes mischen können, mitten in unser Hoch auf uns selbst!? Auf die ununterbrochene Feier mit uns selbst und anderen, auf den Stolz über das, was wir geschaffen haben? Wie konnte so etwas passieren? Unglaublich! Dieser Tunnelblick von uns selbst auf uns selbst ist bei uns allen zu finden, differenzierte Sichtweisen werden zunehmend öffentlich glattgebügelt oder vom Mob kalt attackiert! Trinken, Feiern und Jubeln in Zeiten von Corona ist salonfähig geworden, besonders unter jungen Menschen. Hilft uns das als Gesellschaft? Ist Enthemmung das Zaubermittel? Ist das vorübergehende Vergessen des Schreckenszustands ein probates Hilfsmittel? Wohl kaum!

Corona lässt Gewissheiten wanken

Im Zentrum dieses bedrohlichen Szenarios, das uns das Fürchten lehrt und uns mental ins Schleudern bringt, steht der deutlich geäußerte, drängende Wunsch nach Sicherheit, Verlässlichkeit, Hilfe – im Zentrum dieses Hilfeschreis rufen wir alle »Ich will geschützt werden!« Schutz kann jedoch nicht in der Abnabelung von meinen Mitmenschen liegen, sondern im gemeinsamen Anpacken der Wurzel dieses Übels! Und wer jetzt nach den Virologen oder gar nach Politikern ruft, hat die Sinnhaftigkeit dieses Szenarios des Grauens noch nicht verstanden! Das wiederum ist jedoch durchaus verständlich. Der letzte Krieg ist Jahrzehnte her, und die betroffene Generation weitgehend verstorben. Wir haben seitdem in unserem Land gut leben können und kennen das Grauen des Krieges von Bildern und Erzählungen, keineswegs jedoch durch eigene Erfahrungen. Seitdem leben wir im Zugewinn, im Frieden, im Wohlstand – mein Vater, Rückkehrer aus der russischen Gefangenschaft, würde jetzt sagen: »Wie ein Prinz inne Pferdeköttel!« (sorry, aber O-Ton!).

Wir meiden Verantwortung

Wohin hat uns das denn bis heute geführt? Das von mir diagnostizierte Problem in unserer Gesellschaft ist, dass wir denkfaul geworden sind, Verantwortung weitgehend meiden und vor allem nicht allein sein können! Im Zentrum eines solchen Denkens steht dann der Satz: »Ich will geschützt werden!«, nicht etwa »Wie schütze ich mich?« oder in der Folge »Wie schütze ich auch andere Menschen?« Daran sieht man den Ansatz, erst einmal nach jemandem zu suchen, der aktiv etwas für mich tut – ich selbst bin zunächst mal raus! Der Staat soll es richten! Am besten alles!

Das lernen zurzeit auch unsere Kinder – zwangsläufig. Dabei stehen sie doch im Zentrum unserer kompletten Aufmerksamkeit, gerade in Zeiten, in denen wir sie besonders lieben, weil wir sie und uns verlieren könnten. Wir müssen sie dazu für die Zukunft vorbereiten und erziehen, damit sie das verinnerlichen, was die jetzigen Situationen uns heute abverlangen, nämlich einen langen Atem in Krisen, eine unerschöpfliche Liebe zu anderen Geschöpfen, eine nie versiegende Zuversicht in die Zukunft und ein knallhartes, antrainiertes Durchhaltevermögen – komme, was da wolle!

»Ich will schützen!«

Im Zentrum stehen das Kind, der Heranwachsende, unsere Zukunft und die unseres Planeten. Wenn wir das erhalten wollen, müssen wir umdenken und aus dem Satz »Ich will geschützt werden« einen neuen Satz formulieren: »Ich will schützen!« Damit uns das gelingt, muss Vertrauen unter uns aufgebaut werden, und wir müssen auf die Freiheit zur Verantwortung setzen. Isolationen müssen überwunden werden, wir dürfen uns nicht gegenseitig oder auch selbst überfordern, und wir sollten der Frustration wenig bis keinen Raum lassen! Wir müssen um uns kämpfen!

Ja, es ist eine unruhige Zeit – da hilft meines Erachtens am besten, wenn wir es ruhig und gelassen angehen lassen. Ruhe findet man gewöhnlich leicht, wenn man allein mit sich ist! Nach einer kleinen Weile des Tobens aller unserer inneren Stürme, tritt überraschend Ruhe ein, die uns neu erden kann! Aus Lassen kann dann Gelassenheit werden! Das wiederum werden wir am besten leisten können, wenn wir auf ein Fundament bauen können, das über diese Welt hinaus weist! Diese Erkenntnis dürfen wird dann getrost an unsere Kinder (auch an die uns von Fremden anvertrauten Kinder) weitergeben.

Futuristische Gelassenheit

Der Zukunftsforscher Matthias Horx spricht von futuristischer Gelassenheit: »Was aber sollen wir tun gegen Rassismus, Diskriminierung, Unterdrückung und all die schrecklichen Dinge, die Menschen sich gegenseitig antun? Ich schlage als ersten Schritt eine Art Meinungsfasten vor.«
Ein klasse Tipp, finde ich!

Gott schütze Sie alle, liebe Leserinnen und Leser, in Zeiten von Corona!
Brigitte Balbach

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