Die Umsetzung der schulpolitischen Ankündigungen im Koalitionsvertrag lässt auf sich warten!

Die schwarz-gelbe Landesregierung hat Großes vor in und für Nordrhein-Westfalen – auch in der Bildung und für die Schulen. Das ergibt sich übrigens folgerichtig aus der guten Oppositionsarbeit, die CDU und FDP unter rot-grüner Landesregierung in den letzten Jahren offenbar auch für die Wähler überzeugend geleistet haben. 

Diese viel versprechende Entwicklung, so erwarten jetzt wir Wähler dieser Landesregierung, soll sich künftig in aktivem Handeln und in konkreten Maßnahmen der einzelnen Ministerien fortsetzen. Und wir denken dabei: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg! Der aktuelle Koalitionsvertrag lässt ja auch auf Einiges hoffen: »Wir wollen die Gleichbehandlung aller Schulformen wiederherstellen. Die Benachteiligung von Realschulen und Gymnasien werden wir beenden« (Seite 10). Das ist einer der Hauptgründe der schwarz-gelben Wählergruppe Bildung gewesen, die alte Landesregierung abzuwählen. Als ebenso wichtig galten ihr die Themen Inklusion und Integration. Insgesamt waren die Menschen, die mit Bildung zu tun haben, egal ob als Eltern oder Lehrer, auch unzufrieden mit Bevorzugungen bestimmter Schulformen, da diese Vorgehensweise nicht sachorientiert war, sondern ideologiegeschwängert.

 

Weiter wie bisher

Das ist Schnee von gestern – und was ist heute? Nach etwa einem halben Jahr hat sich noch nicht viel geändert. Das Ministerium für Schule und Bildung macht so weiter wie bisher. Manchmal ist es wirklich schwer, älter zu werden und über zahlreiche Erfahrungen zu verfügen – man schaut nicht mehr so unbeschwert in die Zukunft, sondern mit Blick auf die Vergangenheit eher sorgenvoll. Die Ministerinnen Behler (SPD), Schäfer (SPD), Sommer (CDU) und Löhrmann (Grüne) habe ich live erleben dürfen. Das stählt fürs Leben, das kann ich Ihnen sagen! Viel mehr aber auch nicht. Es frustriert eher. 

Meine Abschiedsworte in meiner letzten HPR-Sitzung im Ministerium für Schule und Bildung fielen mitten in einer gemeinschaftlichen Besprechung des Hauptpersonalrats Realschulen mit der neuen Ministerin Gebauer und ihrem neuen Staatssekretär Richter wohl auch deshalb etwas desillusionierend aus: »Frau Ministerin, diese Haus hat bisher jeden Minister überlebt.« Immerhin zeigten sich die Vertreter des Hauses etwas empört – scheinbar empört. Letztlich fühlten sie sich sicherlich gebauchpinselt ob dieser Würdigung. Aber es ist ein Faktum!

 

Neues nur in geringen Dosen

Wo liegen die Gründe für diese Wahrnehmung in den letzten Jahrzehnten? Zum einen darin, dass nach jeder Wahl eine Person das Ministerium betritt, die neu und frisch ans Werk geht, zwangläufig über relativ wenig Sachkenntnisse des jeweiligen Ministeriums verfügt und interne Abläufe erst kennenlernen muss. Dieser Neuling hat sich erfolgreich im politischen Gewitter durchgeboxt und will nun voller Tatendrang und mit ganzem politischen Elan an die ‘Sachen’ herangehen – und das ‘mit Schmackes’. Und dann muss derjenige am eigenen Leib erfahren, dass in dem jeweiligen ‘Haus’ Unsägliches (aus Sicht des bisherigen Kämpfers) hingenommen wird, Neues nur in geringen Dosen akzeptiert wird und überdies ein systemisch festgeschriebenes Verwaltungshandeln das Haus mit hektischem Leben erfüllt, dessen Sinn und Ziel ihm sich nicht sofort erschließt. Das ist ein Problem! Denn schnell wird jedem neuen Minister klar, dass die Möglichkeiten, das, wofür er oder sie steht, möglichst bald umzusetzen, nur sehr gering sind und manchmal auch dem Willen des Hauses und seiner ureigenen Schaffenskraft und Philosophie entgegenstehen. Ups!

 

Kampf ums Ministerium

Spätestens an dieser Stelle höherer Erkenntnis beginnt die eigentliche Arbeit im Haus, nämlich die Aktivierung der eigenen Durchsetzungsfähigkeit, der Countdown der eigenen Philosophie, der Startup immerwährender Überzeugungsarbeit gegenüber den eigenen ‘Untergebenen’ und das Sammeln von aktiven Mitstreitern und Vertrauten um das eigene Minister-Ich. Manche Ministerinnen gewannen das Haus, was für die eigene Politik und für eine mögliche Wiederwahl immer gut ist, andere mussten sich gegen das Haus durchsetzen. Ein Kampf bleibt immer ein Kampf. Und Viele sind mehr als ein Einziger!

Wenn man die Gnade hat, das Haus für sich zu gewinnen, ohne dass dieses sich heimlich absondert oder sich verselbstständigt, kann man für die Menschen im Land vieles tun – und bleibt »primus inter pares«.

 

Niedergang pädagogischer Grundelemente

Wo sitzen nun die hauptsächlich Fehlentwicklungen, die sich im Schulsystem in den letzten Jahren herauskristallisiert haben? Zum einen ist das die oben genannte Ungleichbehandlung der unterschiedlichen Schulformen in Nordrhein-Westfalen: Einige wurden de facto bevorzugt und mit Ressourcen gepusht, andere wurden den Kommunen als Manövriermasse in Zeiten klammer Kassen zum ‘Fraß’ überlassen. Die Ideologie des längeren gemeinsamen Lernens machte ‘Schule’. Der Lehrer als Lehrkraft hatte ausgedient, er drohte als Lernbegleiter zu sterben. Ein ideologischer Niedergang pädagogischer Grundelemente wurde initiiert. Eltern, Schüler und Lehrer fanden sich mehrheitlich nicht mehr in dem neuen Schulsystem beheimatet und standen auf: Die rot-grüne Landesregierung wurde abgewählt. Jetzt gilt es, diesen Menschen, Schülern mit ihren Eltern und Ausbildern, eine neue Heimat anzubieten, sie mitzunehmen in eine neue Ära ohne Ideologie, sehr wohl aber mit einer tiefgründigen Philosophie, die Schulen zu Orten macht, in denen Kinder und Jugendliche Heimat finden können. Und das egal, woher und womit sie kommen.

Es ist jetzt an der Zeit, sich dafür stark zu machen! 

Sichtbar! 
Erlebbar! 
Wir warten!

Brigitte Balbach

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