Ein wesentliches Thema meines Religionsunterrichts in der Klassenstufe 5/6 beschäftigte sich mit dem Gegensatzpaar ‘Wahrheit und Lüge’. Veranschaulicht wird diese Problematik im Kursbuch Religion einleitend durch ein Bild: Der Betrachter sieht im Vordergrund die edle und verheißungsvolle Fassade eines hochherrschaftlichen Hauses, einer Villa vielleicht. Tritt der fiktive Besucher jedoch durch die schmuckvolle Tür, landet er in einer Hütte, die ärmlich, trostlos, abgerissen und hässlich aussieht. Was ist Lüge, was Wahrheit? Welche Motive liegen dem Täuschungsversuch zugrunde? Was soll mit dem Vortäuschen falscher Tatsachen erreicht werden, und warum erscheint es überhaupt notwendig? Fakt ist, dass uns diese Erscheinung in unserem Alltag täglich über den Weg läuft – auch im politischen Alltag. Und auch in der Schulpolitik. Dazu drei Beispiele:

1. Thema: Bildungskonferenz

Die Rheinische Post (Neuss-Grevenbroicher Zeitung) titelte am 1. März 2016 auf Seite 1: »Lehrer in Nordrhein-Westfalen extrem unzufrieden«. Dabei ging es um eine Forsa-Umfrage des VBE Bund, gemäß der »die Lehrer kritisieren, dass bei politischen Entscheidungen der Schulalltag nicht ausreichend beachtet werde.
87 Prozent der Befragten in Nordrhein-Westfalen äußerten sich entsprechend; im Bundesdurchschnitt waren es 85 Prozent.« Der erste Satz der Presseinformation der Staatskanzlei vom 29. Februar 2016 lautete: »Die Forsa-Befragung im Auftrag des VBE zur Berufszufriedenheit von Lehrkräften zeigt, dass 89 Prozent der nordrhein-westfälischen Lehrerinnen und Lehrer gerne zur Arbeit gehen. Das ist ein guter Wert.

Ich weiß, dass der Lehrerberuf anspruchsvoll und herausfordernd sowie verantwortungsvoll und erfüllend ist«, sagte Schulministerin Sylvia Löhrmann und dankte den Lehrerinnen und Lehrern für ihr Engagement.
Im weiteren Text geht sie auf die geringe Beachtung der Lehrkräfte mit dem Hinweis auf ihren Weg eines Dialogs auf Augenhöhe ein. In die von ihr einberufene Bildungskonferenz seien seit 2010 alle schulischen Akteure einschließlich der Lehrerverbände eingeladen und eingebunden. Schulministerin Löhrmann: »Die Bildungskonferenz ist der Ort, um die Themen zu bearbeiten, die den Beteiligten wichtig sind. Gerade hier haben die Lehrerverbände sowie die Vertreterinnen und Vertreter der Eltern und der Schülerinnen und Schüler die Gelegenheit, mit den Fachleuten aus Schulverwaltung und Politik zu debattieren und gemeinsam mit ihnen Lösungsvorschläge zu erarbeiten.«

Ich kenne keinen mehr, der an diesem Tisch (noch!) mit sitzt und daran glaubt! Viele beneiden uns mittlerweile um unsere frühe Absage an scheindemokratische Verfahren. Wir verpassen auch im Zweifel – nichts!

2. Thema: Schulwechsel

Gleich nach den Osterferien gab es, so die RP vom 16. März 2016, lautstarke Beschwerden vonseiten der CDU-Schulpolitiker und Elternvertreter von Zweit- und Drittklässlern hinsichtlich einer Elternbefragung, die gezielt die Eltern in Düsseldorf ansprach, um deren Wünsche für ihre Kinder zu ermitteln. Es wurde nach der Erwartung zu den Empfehlungen für ihr Kind, nach der gewünschten Schulform und nach ihrem gewünschten Ganztagsangebot gefragt. Zu den lautstarken Beschwerden führte keineswegs die Tatsache einer Befragung, sondern das ‘Wie’ dieser Befragung.

Als Beispiel dient hier die Frage 7. »Wie erreicht man Ihrer Meinung nach in Schulen die besten Chancen für alle Kinder?« Zwei Antworten zum Ankreuzen gab es dazu; hinter dem ersten Kästchen steht: »Wenn Kinder nach der Grundschule auf verschiedene Schulformen aufgeteilt werden.« Darunter folgt: »Wenn die Kinder länger gemeinsam in Gesamt-und Sekundarschulen lernen.« Der Vorsitzende der Elternschaft Düsseldorfer Schulen (EDS) regte sich auf: »Eine solche Befragung ist nicht der Ort, um über die Schulpolitik des Landes abzustimmen.« Schuldezernent Hintzsche hingegen fand das gut: Die Ergebnisse trügen dazu bei, »die Planungen an der Lebenssituation und den Interessen der Kinder und Eltern auszurichten.« Die wollten das jedoch offensichtlich nicht so.
Klar! Suggestivfragen klären deutlich die Situation – allerdings nur für den Frager, oder? Dieses beschriebene ‘Wie’ ist uns im Verband lehrer nrw von Beginn an bekannt gewesen – noch dulden es zu viele Beteiligte, dass nämlich Ideologie sich über den Kinderbetten in Land breit macht. Der Rufer in der bildungspolitischen Wüste ist einsam und wird oft verkannt, wie schon in der Bibel nachzulesen ist.

3. Thema: Schulausschuss im Landtag NRW

Allerdings ist diese letzte Aussage neuerlich belegt durch ein Schreiben der CDU im Landtag NRW. Der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion NRW, Klaus Kaiser, teilte uns den neuesten Stand zu den Änderungen des 12. Schulrechtsänderungsgesetzes (§?132c) mit. Darin geht es darum, dass in Kommunen, die keine öffentliche Hauptschule mehr haben, der Schulträger die Möglichkeit bekommen soll, in vorhandenen Realschulen ab Klasse 7 einen Hauptschul-Bildungsgang einzurichten.

Im Gesetzentwurf hatte es dazu geheißen, dass der Unterricht »in der Regel in binnendifferenzierter Form im Klassenverband« stattfinden solle. Stattdessen wurde der Entwurfstext nach unserer Einlassung bei der CDU so geändert, dass im Unterricht »Formen innerer und äußerer Differenzierung« möglich sind. Damit hätten den Lehrkräften jeder Schule vielfältige Möglichkeiten des Unterrichtens offen gestanden. In der Wochen später vorgelegten Verordnung dazu war die Formulierung ‘in der Regel binnendifferenziert’ wieder drin – und damit die pädagogische Freiheit der Lehrkräfte einkassiert. Soweit mal zu politischen Absprachen und deren Einhaltung sowie zum Umgang zwischen Opposition und Regierung. (Ich mache mir Sorgen um den beschworenen Schulfrieden!)

Im Brief der CDU an lehrer nrw heißt es: »Nun wurde uns die Verordnung vorgelegt. Wir mussten [nach Überprüfung der lehrer nrw-Stellungnahme, die dem Schulausschuss vorenthalten worden war!] feststellen, dass Ihre wichtigen Hinweise und Ihre Kritikpunkte in keiner Weise Berücksichtigung fanden. Ich habe den Ausschuss und die Ministerin in der Sitzung daraufhin angesprochen. Es wurde behauptet, man könne nicht jedem kleinen Komma des Verbandes lehrer nrw Rechnung tagen. Außerdem entsprächen die Vorstellungen des Verbandes nicht einer modernen nach vorne gerichteten Pädagogik.« Die CDU stimmte nicht zu.

Verschweigen ist auch Lüge – das habe ich meinen Schülern immer wieder beigebracht. Es bleibt eine Frage offen: Wie ernst nimmt die Landesregierung ihre Bürger?!

Brigitte Balbach

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