Es ist etwas faul im Staate Nordrhein-Westfalen – jedenfalls wenn man der Expertengruppe Glauben schenken darf, der die Ergebnisse der Interviews und Befragungen zur Evaluation der Lehrerfortbildung zur Auswertung übergeben worden waren, um Empfehlungen für die Weiterentwicklung der Lehrerfortbildung zu erarbeiten.

Schulministerin Yvonne Gebauer hatte unmittelbar nach Amtsantritt 2017 eine umfassende Evaluation der Lehrerfortbildung in Nordrhein-Westfalen in Auftrag gegeben. Hierzu haben Akteure sowie Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Lehrerfortbildung in qualitativen Interviews und in einer Online-Befragung über ihre Erfahrungen berichtet. Die Ergebnisse wurden dann einer Expertengruppe zur Auswertung vorgelegt. Die Stellungnahme der fünfköpfigen Wissenschaftlergruppe liegt nunmehr vor, umfasst 35 Seiten und sieht erheblichen Entwicklungsbedarf. Hier die wichtigsten Erkenntnisse und Empfehlungen:

Steuerung der Lehrerfortbildung

Ein effektives Fortbildungssystem müsse funktionierende Wege der Erhebung und Verarbeitung der Bedarfe seiner zentralen Anspruchsgruppen (also der Lehrerinnen und Lehrer vor Ort) aufbauen und institutionalisieren sowie funktionierende Mechanismen zur Überprüfung der Akzeptanz und Qualität seiner Angebote aufbauen, nutzen und deren Ergebnisse öffentlich machen. Hierzu empfiehlt die Expertengruppe ein umfassendes quantitatives und qualitatives Monitoring, mit dem der Fortbildungsbedarf und die Qualität der Angebote systematisch erfasst werden.

Organisation der Lehrerfortbildung

Ein zentraler Kritikpunkt der Befragten ist eine zu komplexe Struktur der nordrhein-westfälischen Lehrerfortbildung mit zu vielen Akteuren (Ministerium, Bezirksregierungen, Landesinstitut QUA-LiS, Kompetenzteams bei den Schulämtern, Schulen) und oft unklaren Zuständigkeiten. Deshalb brauche es künftig »eine starke Einheit, die für die professionelle Qualität der Angebote und weiterführende Entwicklungen sorgt, und dezentrale Einheiten (acht bis zwölf ’Regionalteams’), die in Kontakt mit den Schulen Bedarfe eruieren, im Fortbildungssystem kommunizieren und lokal angepasste Angebote schaffen«.

Qualität der Fortbildungsangebote

Aufschlussreich im Hinblick auf die Qualität der Angebote waren vor allem die Ergebnisse der Lehrkräftebefragung:

  • Sowohl bei den zukünftig geplanten schulexternen als auch bei den schulinternen Fortbildungen liegen die externen Anbieter in der Anwahlpräferenz vor den Bezirksregierungen und den Kompetenzteams.
  • Kritisiert wird vielfach, dass der individuelle Fortbildungsbedarf von Schulen und Lehrkräften nicht ausreichend berücksichtigt wird.
  • Erwartet und gewünscht werden mehrphasige Veranstaltungsreihen (statt ’One-Shot-Veranstaltungen’), Coaching und die Digitalisierung in der Fortbildung, unter anderem durch online-basierte Fortbildungen.
  • Gefragt wird des Weiteren nach einer höheren Fachspezifik in der Lehrkräftefortbildung. Die Fortbildungsmaterialien sollen mehr bedarfs- und handlungsorientiert gestaltet sein.

Qualifizierung der Fortbildungskräfte

Gegenwärtig würden Lehrkräfte für eine Tätigkeit in der Lehrerfortbildung in der Regel in einem Umfang von zwei bis fünf Unterrichtsstunden entlastet. Es sei zwar grundsätzlich wünschenswert, dass Fortbildungskräfte praktische Unterrichtserfahrungen aufwiesen, entscheidend sei aber auch, dass sie genügend Zeitressourcen bekämen, um ihren Aufgaben gerecht zu werden. Eine professionelle Qualifizierung (zum Beispiel durch ein modulartig aufgebautes Studium für Personen, die sich längerfristig in der Fortbildung engagieren wollen) sei zu gewährleisten. Außerdem müsse eine Tätigkeit in der Lehrerfortbildung die Möglichkeit bieten, beruflich aufzusteigen.

Fortbildungskultur an den Schulen

Bemängelt wurde von den befragten Personen vor allem, dass

  • die Ressourcen der Einzelschulen für Lehrkräftefortbildung zu gering seien;
  • die Lehrkräftefortbildung zu starr und unflexibel sei;
  • das Fortbildungsbudget nach dem ’Gießkannenprinzip’ an alle Schulen gleich vergeben werde;
  • der Anspruch auf nachfrageorientierte und flächendeckende Fortbildungsangebote nicht der Realität entspreche;
  • die Erfassung der Fortbildungsbedarfe der Schulen/Lehrkräfte bisher nur unsystematisch erfolge;
  • in der Lehrkräftefortbildung nicht alle Zielgruppen (multiprofessionelle Teams, Seiteneinsteiger, Berufsanfänger, Referendare …) beachtet würden;
  • das Bekanntmachen der Fortbildungsangebote bisher unsystematisch erfolge.

Einbeziehen von Schülerinnen und Schülern

Aktuelle Studien hätten unter anderem gezeigt, dass Schülerinnen und Schüler die Qualität des Unterrichts zuverlässig und differenziert beschreiben können. Daher sollten die Schulen auch Schülerbefragungen durchführen, um den Fortbildungsbedarf einer Schule aus Schülersicht zu ergänzen.

Nicht den Bock zum Gärtner machen!

Was Sie, hochgeschätzte Leserinnen und Leser, von dem letzten Punkt halten, wage ich zu erahnen. Und ich teile Ihre Meinung. Viel mehr Sorgen bereitet mir aber eine andere Empfehlung der Expertengruppe: Auf Seite 7 der Stellungnahme heißt es unter der Überschrift ’Stärkung einer Instanz auf Landesebene mit zentraler Steuerungsfunktion’: »Als zentrale Instanz bietet sich hier zum Beispiel die Qualitäts- und UnterstützungsAgentur – Landesinstitut für Schule (QUA-LiS) … an.« Wie bitte? Das hieße ja, dass man die Instanz, die als maßgeblicher Akteur der bisherigen Lehrerfortbildung offensichtlich komplett versagt hat, mit noch mehr Kompetenzen und Befugnissen ausstatten würde. Mein ehemaliger Schulleiter sprach immer vom ’Paradieser Institut’ und vom ’Soester Elfenbeinturm’, wenn von QUA-LiS (mit Sitz in Soest, Paradieser Weg 64) die Rede war. Nomen est omen! Ich rate dem Ministerium deshalb an, sich bei Google über das sogenannte ’Peter-Prinzip’ zu informieren (gilt offensichtlich nicht nur für Einzelpersonen, sondern für ganze Behörden) und empfehle dringend, der Empfehlung der Expertengruppe nicht zu folgen!

Sven Christoffer

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