Ein Bericht aus dem ganz alltäglichen Wahnsinn des Lehrerberufs

Vor einiger Zeit habe ich eine Schulschließung mitgemacht. Ich wechselte in der Elternzeit von einer auslaufend schließenden Schule in der Voreifel nach Brühl. Ich war froh, dass ich wieder an einer Realschule arbeiten konnte. Auch alle anderen Kollegen mussten wechseln, mein ehemaliges Kollegium verstreute sich über den gesamten Rhein-Erft-Kreis. Nach Mechernich bin ich jahrelang in einer Fahrgemeinschaft gefahren, wir vier treffen uns immer noch regelmäßig, soweit unsere Arbeit, Freizeitaktivitäten und Familien das zulassen. Einen Kollegen konnte ich nach Brühl ’locken’, die anderen zwei Kolleginnen sind an einer Realschule und einer Gesamtschule südlich von Köln untergekommen.

Unser letztes Treffen war am vergangenen Sonntag. Nach der üblichen »Wie geht es denn?«-Runde und den Nachfragen zu unseren Kindern waren wir natürlich schnell beim Thema ‘Schule’.

Schichtende um 22:00 Uhr

Schon während unseres Gespräches war ich schockiert, dass wir alle vier langsam am Ende unserer Ressourcen angelangt scheinen. Immer mehr Arbeit, Dokumentationen, verpflichtende Fortbildungen, Korrekturen etc. etc. fordern uns alle heraus. Unsere Schultage sind lang, wie die der Schüler, vor 15:00/16:00 Uhr sind wir nicht raus aus dem Gebäude. Und dann kommt die Schreibtischarbeit: Konzepte erarbeiten, schulinterne Lehrpläne überarbeiten, Gutachten schreiben, Elterntelefonate führen. Von der Vor- und Nachbereitung unseres Unterrichtes und den Korrekturen mal ganz abgesehen. Die Kinder meiner Freunde sind alle bereits aus dem Haus – heißt, meine Kollegen haben dann zur Tagesschau meist ’frei’. Dann fange ich erst an, denn nachmittags bin ich Mama – keine Lehrerin. Manchmal sitze ich bis 22:00 Uhr über Vorbereitungen und Korrekturen, oft viel zu müde, um meinem Anspruch an guten Unterricht gerecht zu werden. Wenn meine Kinder ihr Papa-Wochenende haben und außer Haus sind, mache ich zwar die meiste Arbeit, aber ich kann meinen Unterricht nicht im Voraus für zwei Wochen planen. Und wenn dann, wie heute, drei Schüleraussagen in meinem Fach liegen, die mir von einer Prügelei berichten, ich also ein Klassengespräch dazwischenschieben muss, ist meine Planung hinfällig.

Das Lehrerdasein in Frage gestellt

Alle drei Kollegen denken darüber nach, früher als vorgeschrieben den Schuldienst zu verlassen und es in Kauf zu nehmen, enorme Kürzungen in der Rente bzw. Pension hinzunehmen. Und auch ich bin momentan in einer Phase, in der ich mein Lehrerdasein in Frage stelle und über die Zukunft der Schullandschaft nachdenke.

Wie kann uns eine Regierung einerseits immer mehr Arbeit aufhalsen und auf der anderen Seite den perfekten Unterricht verlangen? Wir sollen allen Schülern gerecht werden, Inklusion wird weiterhin verlangt, wo man doch sieht, dass es ohne Personal und vernünftige Arbeitsbedingungen nicht funktioniert. Warum muss ständig Neues eingeführt werden, wenn sich bewährte Konzepte als gut erweisen?

Unterricht als Randgeschäft

Wir vier wünschten uns am Sonntag zehn Jahre zurück, als das Unterrichten noch im Fokus des Lehrberufs stand. Aber der Alltag eines Lehrers sieht heutzutage anders aus:

  • Wir erziehen unsere Schüler, fangen dabei mit »Bitte« und »Danke« an und dass sich die Schüler mit Namen und nicht mit Schimpfwörtern begrüßen.
  • Wir planen Sozialtrainings, Ausflüge, Klassenfahrten, Projekttage, Sommerfeste, Sportevents, Lesenächte.
  • Wir verhandeln über Preise, bitten Fördervereine, beantragen bei Arbeitsagenturen und Sozialämtern.
  • Wir machen uns für Kooperationen mit außerschulischen Lernorten stark.
  • Wir besuchen Fortbildungen, Konferenzen, Messen.
  • Wir setzen unser angeeignetes Wissen in Lehrplänen um und schreiben Konzepte.
  • Wir fördern unsere Schüler über die eigentlichen Unterrichtsinhalte hinaus.
  • Wir korrigieren Klassenarbeiten, Überprüfungen.
  • Wir halten Eltern- und Schülersprechtage ab.
  • Wir führen Diagnosen zum Lesen, Rechtschreiben und Rechnen durch, werten diese aus und stellen geeignetes Material zur Verfügung.
  • Wir schreiben seitenlange Gutachten.
  • Wir sprechen mit Eltern, Psychologen, Ärzten, Jugendämtern, Sozialarbeitern, Erziehungsberechtigten, natürlich unseren Schülern.

Und wir stehen vor der Klasse.
Und wir unterrichten.
Ganz nebenbei.

Leslie Boecker

Originalausgabe (PDF-Datei)


 

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Längst überfällig

Der neue Vorbereitungsdienst in Teilzeit ermöglicht endlich mehr Flexibilität zur Vereinbarung von Familie und Beruf.

Zum Starttermin am 1. November 2018 konnten angehende Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter in Nordrhein-Westfalen erstmals den Vorbereitungsdienst in Teilzeit beginnen. Angesichts des massiven Lehrermangels ist dies ein positives Zeichen der Landesregierung in Richtung Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie einer Attraktivitätssteigerung des Lehrerberufs. Viele Betroffene, die zu Beginn der Lehrerausbildung bereits ein oder mehrere Kinder oder einen pflegebedürftigen Angehörigen haben, empfinden eine Lehrerausbildung in Vollzeit als nicht mehr leistbar. Die Belastung führte bisher nicht selten dazu, dass die Ausbildung vorzeitig abgebrochen wurde. Dies können wir uns in der heutigen Zeit, in der wir jeden Lehrer und jede Lehrerin dringend benötigen, nicht leisten.

Die Rahmenbedingungen

Die Gründe für die Teilzeit ergeben sich aus §64 des Landesbeamtengesetzes (Teilzeitbeschäftigung und Urlaub aus familiären Gründen). Der Antrag auf Teilzeit ist bei der Ausbildungsbehörde mit dem Einstellungsantrag zu stellen, kann jedoch noch bis spätestens einen Monat vor Ausbildungsbeginn gestellt werden, sollte nachträglich ein Grund gemäß §64 LBG eingetreten sein. Danach kann die Teilzeit nur noch zu Beginn des ersten oder zweiten Schulhalbjahres beantragt werden, welches auf die Einstellung folgt, und muss mindestens einen Monat vor Beginn des jeweiligen Halbjahres gestellt werden.

Die Teilzeit umfasst 75 Prozent der regelmäßigen Arbeitszeit, wodurch sich die Dauer des Vorbereitungsdienstes auf 24 Monate verlängert. Sie kann nur für die gesamte Dauer der Ausbildung bzw. für die gesamte verbleibende Zeit, sollte die Teilzeit erst nach Beginn der Ausbildung beantragt werden, bewilligt werden – also nicht nur für ein Jahr ab Ausbildungsbeginn. So können weiterhin Lehramtsanwärterinnen und -anwärter – in Voll- und Teilzeit – eine gemeinsame Ausbildung am Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung (ZfsL) durchlaufen. Es bleibt in der Regel bei einem Tag pro Woche im ZfsL. Lediglich die wöchentliche Verpflichtung des Ausbildungsunterrichts verringert sich bei gleichzeitiger Verlängerung des Vorbereitungsdienstes um sechs Monate.

Entfällt der Grund für die beantragte Teilzeit, ist dies der Ausbildungsbehörde unverzüglich mitzuteilen. Sollte dies vor Beginn der letzten neun Monate der Fall sein, erfolgt zum nächsten Schulhalbjahr ein Wechsel in den Vorbereitungsdienst in Vollzeit.

Wichtig ist, dass sich durch die Ausbildung in Teilzeit die zu erteilenden achtzehn Wochenstunden selbstständigen Unterrichts nicht erhöhen.

Es bleibt abzuwarten, wie viele junge Kolleginnen und Kollegen diese Chance zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf nutzen. Sollten Sie bereits Erfahrungen zum Vorbereitungsdienst in Teilzeit haben, sei es als Betroffene/Betroffener, als Fachleiterin/Fachleiter oder als Ausbildungsbeauftragte/Ausbildungsbeauftragter würden wir uns freuen, wenn Sie uns Ihre Erfahrungen schildern würden, damit wir Sie als Verband bestmöglich unterstützen können.

Ich freue mich auf Ihre Zuschriften.

Sarah Wanders

Zur Originalausgabe (PDF-Datei)

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