Jedes Jahr im Sommer zeigen sich Erziehungsberechtigte mit den Zeugnissen ihrer Sprösslinge unzufrieden, schlechte Noten gefährden ‘überraschend’ die schulische Laufbahn oder behindern das berufliche Fortkommen. Und Lehrkräfte reagieren oft resigniert auf den Hinweis von Schülern, denen die sonstige Mitarbeit egal ist: Der Herr Papa sei schließlich Anwalt und werde ein ‘Ausreichend’ schon hinbekommen.

Die Verfahrensweise bei Widersprüchen zur Leistungsbewertung skizziert der folgende Beitrag.

Grundlagen

Gegen schulische Maßnahmen kann ein Widerspruch im rechtlichen Sinne eingelegt werden, wenn die Maßnahme ein Verwaltungsakt ist. Einzelnoten in einem Fach sind keine Verwaltungsakte, Einzelnoten auf Bewerbungszeugnissen können hingegen Verwaltungsakte sein. Einzelnoten auf Abschluss- und Abgangszeugnissen sind Verwaltungsakte. Erst nach erfolgloser Durchführung eines Widerspruchsverfahrens kann gegen Einzelnoten vor dem Verwaltungsgericht Klage eingelegt werden. Das Widerspruchsverfahren dient also einer schulinternen Rechtmäßigkeitskontrolle, indem die Schule prüft, ob sie dem Widerspruch abhelfen kann.

Widersprüche sind innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes schriftlich oder mündlich zur Niederschrift bei der Schule, die den Verwaltungsakt erlassen hat, oder bei der Schulaufsichtsbehörde einzulegen. Die Monatsfrist beginnt jedoch nur dann zu laufen, wenn der Betroffene schriftlich über den Rechtsbehelf des Widerspruches belehrt worden ist; ist die Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, beträgt die Frist abweichend ein Jahr. Für die Fristenwahrung trägt die Schule die Beweislast. Die Aushändigung des Zeugnisses gilt als Bekanntgabe, so dass es keiner formellen Zustellung bedarf.

Widerspruchsverfahren

Wird ein Widerspruch ohne Begründung eingelegt, sollte der den Widerspruch führende Erziehungsberechtigte zunächst aufgefordert werden, seinen Widerspruch innerhalb einer angemessenen Frist zu begründen. Dazu genügen in der Regel zwei Wochen, um das Verfahren nicht unnötig zu verzögern. Sodann prüft der betroffene Fachlehrer seine Entscheidung. Bei Nichtabhilfe leitet die Schule den Widerspruch an die Schulaufsichtsbehörde weiter und benachrichtigt den Widerspruchsführer. Der Schulleiter ist trotz seiner Vorgesetzteneigenschaft nicht befugt, von der Lehrkraft festgesetzte Noten zu ändern, selbst wenn er dasselbe Fach vertritt. Dieses Recht steht nur der Schulaufsichtsbehörde als Fachaufsicht zu. Das Recht und die Pflicht der Schulleitung, Anregungen und Bedenken geltend zu machen und diese auch der Aufsichtsbehörde mitzuteilen, bleibt davon unberührt.

Bei der Bezirksregierung folgt dann eine umfassende Rechts- und Zweckmäßigkeitsprüfung: Das schulaufsichtliche Verfahren besteht in der Regel aus einer pädagogischen sowie einer juristischen Validitätsprüfung der angegriffenen Einzelnote. Diese Prüfung schließt die inhaltliche Kontrolle der Notengebung ein. Im Mittelpunkt stehen die Verfahrensregeln und elementaren Bewertungsgrundsätze, spezifische pädagogische Belange werden in gebotenem Maße berücksichtigt.

Bericht an die Schulaufsicht

Da nicht für jede Schülerleistung ein schriftlicher Beleg vorgelegt werden kann, reicht es aus, wenn die Lehrkraft aus ihren Aufzeichnungen oder anderen Unterlagen die konkreten Leistungen des Schülers in ihrer Stellungnahme nachvollziehbar wiedergibt. Dazu ist aber notwendig, zuvor die unterrichtlichen Anforderungen, die Unterrichtsgegenstände, Art und Umfang von Leistungsnachweisen sowie den Zusammenhang des jeweiligen Unterrichtsthemas darzustellen. Dem Vorlagebericht an die Schulaufsicht fügt die Schulleitung unter anderem das Widerspruchsschreiben, eine Stellungnahme zur unterrichtlichen Situation der Klasse, die Stellungnahme der Fachlehrkraft, alle für den Widerspruchszeitraum relevanten Klassenarbeits- und Haushefte und die schriftlichen Arbeitsergebnisse, Protokolle der Konferenzbeschlüsse sowie den schulinternen Lehrplan in dem jeweiligen Fach und das Leistungsbewertungskonzept der Schule bei.

Lehrkräfte sind verpflichtet, infrage stehende Zeugnisnoten sorgfältig zu begründen. Sie müssen differenziert darstellen, auf welche Anforderungsbereiche und Standards sich die Leistungsbewertung stützt und welche Leistungen der Schüler in den einzelnen Beobachtungsfeldern erbracht hat. Inhalte und Anforderungen des Unterrichts müssen mit den jeweiligen Lehrplänen und Leistungsbewertungskonzepten in Einklang stehen. An ihnen sollte gemessen werden, welchen Stand des Lernprozesses der Schüler erreicht hat. Eine Bewertung der ‘Sonstigen Mitarbeit’, die sich alleine auf die mündliche Mitarbeit bezieht, ist beispielsweise nicht zulässig.

Da die Bearbeitung von Widersprüchen auch während der Schulferien gewährleistet sein muss, ist durch eine Vertretungsregelung sicherzustellen, dass Widersprüche verwaltungsmäßig, aber möglichst auch fachlich auch dann bearbeitet werden können, wenn Mitglieder der Schulleitung nicht erreichbar sind.

Wie ich es sehe

Die Zahl der Klagen gegen angeblich zu schlechte Zensuren nimmt jährlich zu. Erziehungsberechtigte, die Misserfolge ihrer Kinder nicht wahrhaben wollen, suchen die Schuld nur zu bereitwillig bei den Lehrkräften. Mit Widerspruch und Klage soll gerichtet werden, was ‘überraschend’ in Schieflage geraten ist.
Mag der Aufwand eines Widerspruchsverfahrens auch erheblich sein, vor allem, weil die Prüfung für die Lehrkraft in ihre unterrichtsfreie Zeit im Sommer fällt: Schüler haben einen Anspruch auf eine konkrete und ausgewogene Begründung ihrer Noten. Entscheidungen müssen transparent und nachvollziehbar sein. Gute Lehrer wissen das.

Was Lehrer im Allgemeinen nicht wissen, aber wissen sollten, um sich nicht unnötig über die Entscheidung ihrer Bezirksregierung zu ärgern, dass eine Zeugnisnote abgeändert werden soll: Klagen die Erziehungsberechtigten nur gegen eine Zeugnisnote, die für Versetzung oder Qualifikationsvermerk entscheidend ist, ist ein Obsiegen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht unwahrscheinlich.
Richtet sich die Klage aber gegen zwei oder mehr Zeugnisnoten, optimalerweise von verschiedenen Lehrkräften, sinken die Erfolgsaussichten rapide. Achtzig bis neunzig Prozent der Klageverfahren sind ohne Aussicht auf Erfolg. Das zu wissen minimiert nicht den zusätzlichen Aufwand. Aber möglicherweise das spürbare Unverständnis über eine anderslautende Entscheidung der Schulaufsichtsbehörde.Michael König

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