Auch an den Schulen in Nordrhein-Westfalen beklagen Lehrkräfte immer öfter eine spürbare Arbeitsüberlastung. Angestellte wie Beamte sehen sich zunehmend außerstande, ihre Aufgaben mit der gebotenen Sorgfalt zu erledigen, ohne gesundheitlichen Schaden zu nehmen. Bei vielen ist die Belastungsgrenze erreicht oder überschritten. Die Überlastungsanzeige ist ein geeigneter Hebel, um gegenüber der Dienststelle auf die Behebung schulinterner Missstände hinzuwirken.

Arbeitsüberlastung im Schuldienst?

Die aktuelle Arbeitsbelastung an Haupt- und Realschulen führt alle Prognosen zu den Auswirkungen des demographischen Wandels ad absurdum: Die Klassen sind unverändert zu groß, die ungleichen Arbeitsbedingungen im direkten Vergleich zu den Sekundar- und Gesamtschulen zehren Lehrkräfte physisch und psychisch aus. Der Umgang mit sozialen Problemen der Schülerinnen und Schüler wird zunehmend zu einer Belastung für ihre Lehrkräfte, da es noch immer kein flächendeckendes Angebot an Schulsozialpädagogen gibt. Die ideologisch verklärte Umsetzung der Inklusion wird weiterhin von dafür nicht ausgebildeten Lehrkräften gestemmt. Der Unterricht von Flüchtlingskindern mit ihren oftmals geringen, häufig gänzlich fehlenden Deutschkenntnissen im Klassenverband integriert sie in eine Gruppe, mit der sie weder fachlich mithalten noch verbal kommunizieren können.

Die Personalsituation charakterisiert in allen Bereichen der Satz »Zu wenig, zu spät, zu oft«. Es verwundert nicht, dass mittlerweile auch jüngere Lehrkräfte zunehmend über der hohen Unterrichtsbelastung, zahlreichen Konferenzen und anderen Terminen sowie ausufernd langen Vorbereitungs- und Korrekturzeiten erkranken. Personelle Ausfälle sind ebenso die Folge wie individuelle Fehler, die wiederum die Gefahr von Elternbeschwerden erhöhen. Hinzu kommt die Unzufriedenheit, den eigenen, hohen Anforderungen nicht mehr gewachsen zu sein.

Lösungsansatz: Überlastungsanzeige

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 11. März 2008 zu Az. 2 BvR 263/07 entschieden, dass die Folgen der Überlastung weder zum Anlass für disziplinarische Maßnahmen genommen werden noch sich bei sonstigen dienstlichen Maßnahmen, insbesondere Beurteilungen oder Beförderungen zum Nachteil des Betroffenen auswirken dürfen. Es ist Aufgabe des Dienstherrn, durch geeignete Organisationsmaßnahmen dafür Sorge zu tragen, dass für die zu bewältigenden Aufgaben in ausreichendem Maße Personal und sachliche Mittel zur Verfügung stehen.
Die Überlastungsanzeige dient dazu, dem Dienstherrn diese Mängel in der personellen Organisation zu verdeutlichen und konkret Verbesserungen zu erreichen, weil das vorhandene Arbeitspensum nicht mehr bewältigt werden kann und deshalb Fehler nicht auszuschließen sind.

Tarifbeschäftigte Lehrkräfte sind als Arbeitnehmer nach § 242 BGB verpflichtet, ihre Arbeitsleistung so zu erbringen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Deshalb müssen sie ihre Vorgesetzten rechtzeitig darüber informieren, wenn übertragene Tätigkeiten nur mangelhaft erledigt werden können. § 18 BGB verpflichtet umgekehrt den Dienstherrn als Arbeitgeber, Dienstleistungen unter seiner Leitung so zu regeln, dass der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit so weit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet.
Gemäß § 36 Abs. 1 Beamtenstatusgesetz tragen Beamtinnen und Beamte die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit ihrer dienstlichen Handlungen. Verletzen sie vorsätzlich oder grob fahrlässig ihre Pflichten, sind sie nach § 48 BeamtStG zum Schadensersatz verpflichtet.
Die Überlastungsanzeige ist Ausdruck der Verpflichtung des Beamten aus seinem Dienst- und Treueverhältnis, seine Bedenken unverzüglich geltend zu machen. Tarifbeschäftigte und beamtete Lehrkräfte sind also gehalten, ihren Arbeitgeber bzw. Dienstherrn auf konkrete Missstände und Fehlentwicklungen beim Arbeitspensum hinzuweisen.

Die Lehrkräfte bleiben jedoch grundsätzlich in der Pflicht, ihre Dienstleistung unter Berücksichtigung der Weisungen mit der ihnen möglichen Sorgfalt zu erbringen. Eine Überlastungsanzeige berechtigt nicht zu einem pflichtwidrigen Handeln und entbindet auch nicht von der Pflicht zur sorgfältigen Arbeitsleistung.
Eine ordnungsgemäße Überlastungsanzeige bewirkt, dass der Arbeitgeber bzw. Dienstherr aufgrund der ihm obliegenden Fürsorgepflicht den vorhandenen Missständen entgegenzuwirken verpflichtet ist. Zudem befreit sie den Arbeitnehmer oder Beamten von einer ihm eventuell drohenden Schadensersatzpflicht.

Neben die zunächst deklaratorische Wirkung der Überlastungsanzeige gegenüber der Dienststelle tritt die Möglichkeit der Intervention durch den Personalrat, der nachrichtlich über den Vorgang Kenntnis erlangen sollte. Unter inhaltlicher Berücksichtigung der Ursachen für die Anzeigen der Beschäftigten entsteht eine wachsende Verpflichtung des Arbeitgebers bzw. Dienstherrn, durch geeignete Maßnahmen zur dauerhaften Abhilfe der Überlastung zu gelangen.
Die Überlastung der Beschäftigten, die in den Anzeigen beschriebenen Ursachen und die Durchführung von Maßnahmen zur Abhilfe können von der Dienststelle und dem Personalrat ohnehin nicht isoliert betrachtet werden. Eingebettet in eine präventive betriebliche Gesundheits- und Personalpolitik sind bei der Umsetzung einzelner Maßnahmen die Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte des Personalrates nach den Vorgaben des LPVG NRW zu beachten.

Wie ich es sehe

Das Berufsbild des Lehrers gilt als attraktiv. Der Landesdienst gibt Sicherheit, die Tätigkeit ist interessant und kommt dem Bedürfnis junger Kolleginnen und Kollegen nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf entgegen. Die Karriereorientierung steht hinter der Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben sowie der beruflichen Planbarkeit zurück, und der Personalansatz sowie die Aufgabenverteilung an den Schulen lassen sich hervorragend planen – sofern ideologisch motivierte, praktisch realitätsferne Denkansätze nicht politische (Fehl-) Entscheidungen generieren.

Arbeitsbedingungen sollten stets so beschaffen sein, dass Überlastungssituationen und damit verbundene Folgen für die Gesundheit der Beschäftigten vermieden, die Gefahr von Beschwerden minimiert und der Eintritt möglicher Schäden überhaupt nicht zu befürchten wären.
Solange sich an den Unterrichtsbedingungen insbesondere im Sekundarbereich I aber nichts zum Positiven ändert, ist die Überlastungsanzeige ein probates Mittel, um den Arbeitgeber bzw. Dienstherrn und mittelbar auch die Landesregierung nachdrücklich auf die Missstände an den Schulen aufmerksam zu machen. Jede Überlastungsanzeige erhöht den politischen Druck, endlich kleinere Klassen zu ermöglichen, die Pflichtstunden anzugleichen und die Schüler-Lehrer-Relation nachzujustieren. Eine Vorlage für eine Überlastungsanzeige finden Lehrkräfte auf der Homepage von lehrer nrw

Michael König


Info:
Höchstaltersgrenze zur Verbeamtung angehoben

Nachdem das Bundesverfassungsgericht im April 2015 die bisherige Altersgrenze in Nordrhein-Westfalen für unvereinbar mit dem Grundgesetz (Art. 33 Abs. 2 GG) erklärt hat, sind die Regelungen im Landesbeamtengesetz (LBG) und in der Laufbahnverordnung (LVO) diesem Votum angepasst worden. Das entsprechende Änderungsgesetz ist seit dem 31. Dezember 2015 in Kraft.

Der neu eingeführte §15a LBG regelt jetzt als grundlegende Norm alle inhaltlichen Vorgaben, die bisher in der LVO geregelt waren. Dabei sind folgende Änderungen zu beachten: Die Höchstaltersgrenze zur Verbeamtung auf Probe wird vom 40. auf das 42. Lebensjahr angehoben.
Ein Überschreiten der Höchstaltersgrenze um bis zu maximal sechs Jahre ist unschädlich, soweit die auch bisher zu berücksichtigenden Sachverhalte Kindererziehung, Pflege, Wehr-, Zivil- oder Freiwilligendienst geltend gemacht werden können. Neu ist allerdings, dass die bisher geforderte Kausalität zwischen diesen Zeiten und einem verspäteten Antrag auf Verbeamtung ersatzlos weggefallen ist.

Für schwerbehinderte oder ihnen gleichgestellte Menschen gilt das 45. Lebensjahr als Höchstaltersgrenze, soweit die Anrechnung der oben genannten Hinausschiebensgründe auf der Basis des 42. Lebensjahres nicht zu einem günstigeren Ergebnis führen. Wir weisen darauf hin, dass eine Verbeamtung wie bisher nur auf Antrag, nicht von Amts wegen erfolgt.Die Regelung der anhängigen Altverfahren wird großzügig erfolgen: Bewerberinnen und Bewerber, die im Zeitpunkt der Antragstellung das 42. Lebensjahr (ggf. zuzüglich Hinausschiebung) bzw. das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, es aber im Entscheidungszeitpunkt überschreiten, können verbeamtet werden, soweit die sonstigen beamten- und laufbahnrechtlichen Voraussetzungen jetzt vorliegen. Dies gilt auch bei bereits abgelehnten Anträgen, wenn ein erneuter Antrag im Sinne einer Wiederaufnahme des Verfahrens gestellt wird.

Zu weiteren Fragen steht Ihnen die Rechtsabteilung von lehrer nrw gern zur Verfügung.

Lydia Kohlenbach

Zur Originalausgabe (PDF-Datei)

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