Waren Tätowierungen früher überwiegend ein Symbol nicht frequentierbarer Bevölkerungsschichten, sind sie heute zu einem modischen Accessoire geworden. Der folgende Beitrag skizziert, worauf Lehrkräfte achten sollten, wenn sie sich für eine Tätowierung entscheiden.

Schätzungsweise sechs Millionen Deutsche sind nach einer Studie der Ruhr-Universität Bochum tätowiert, die Tendenz ist steigend. Das Recht des Einzelnen, über seine Haartracht ebenso frei zu entscheiden wie über den Stil seiner Bekleidung, das Tragen auffälligen Schmucks oder eines Tattoos ergibt sich aus dem Grundrecht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz. Da Träger eines Tattoos ihren Körperschmuck nur ungern verstecken, platzieren sie ihn in der Regel an sichtbaren Körperstellen. Dabei wird jedoch oft unberücksichtigt gelassen, dass Tätowierungen, insbesondere wenn sie großflächig und damit gut sichtbar sind, nicht von allen Arbeitgebern toleriert werden und bei einer angestrebten Verbeamtung ggf. sogar zu einem Ablehnungskriterium werden können.

 

Lehrer müssen Vorbild sein

Dies gilt nicht nur bei Verwendungen im Öffentlichen Dienst, die das Tragen einer Amtstracht oder Uniform vorschreiben, wie bei Justiz- oder Polizeivollzugsbeamten. Auch im Schuldienst kann der Dienstherr Vorgaben bezüglich des äußeren Erscheinungsbildes seiner Beamtinnen und Beamten machen oder gar Bewerber ablehnen, die die Vorgaben nicht erfüllen können oder wollen. Im Kern steht dabei der Gedanke der Allgemeinen Wohlverhaltenspflicht gemäß §?34 Satz?3 BeamtStG, dem bei der Ausübung des Lehrerberufs eine ganz besondere Bedeutung zukommt. Denn Lehrerinnen und Lehrer müssen, um ihre Aufgabe der Erziehung und Unterrichtung von Schülerinnen und Schülern erfüllen zu können, bei Eltern, Schülerinnen und Schülern und in der Öffentlichkeit das notwendige Ansehen, die Autorität sowie das Vertrauen in die korrekte Amtsführung besitzen. Sie müssen in ihrer gesamten Lebensführung, also innerhalb und außerhalb des Dienstes, durch regelgerechtes Verhalten Vorbild sein. Von Lehrerinnen und Lehrern wird daher erwartet, dass sie sich aufgrund ihres Erziehungsauftrags gegenüber den Schülerinnen und Schülern in jeglicher Hinsicht regelgerecht im Rahmen des Üblichen verhalten. Dazu gehören auch gewisse Restriktionen beim äußeren Erscheinungsbild, das frei von übertrieben individuellen Attributen sein sollte.

 

Keine Akzeptanz für großflächige Tätowierungen

Der Dienstherr muss sich bei der Entscheidung, wann der Rahmen des Üblichen überschritten ist, zwar grundsätzlich an den Anschauungen orientieren, die in der heutigen pluralistischen Gesellschaft herrschen; er darf sich einem Wandel dieser Anschauungen nicht per se verschließen. Generell lässt sich aber feststellen, dass die Verwaltungsgerichte großflächigen Tätowierungen bislang keine Akzeptanz entgegenbringen. Daraus folgt, dass ein Dienstherr einen Kandidaten wegen seiner großflächigen Tätowierungen von einem Eignungsauswahlverfahren ausschließen darf, weil er in der Tätowierung einen Mangel der persönlichen Eignung des Bewerbers sieht. So entschied der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel, dass eine Bewerberin für den Gehobenen Polizeidienst ungeeignet sei, weil sie auf dem rechten Unterarm großflächig »S’il te plaît … apprivoise-moi!« (»Bitte … zähme mich!«) aus der Erzählung ‘Der kleine Prinz’ von Antoine de Saint-Exupéry trägt. Die Richter sahen die Tätowierung als großflächig an, da sich der tätowierte Schriftzug mit üppigen Schnörkeln vom Ellenbogen bis zum Handgelenk des rechten Arms der Antragstellerin in zwei Zeilen über fast die gesamte Höhe der Innenseite des Unterarms zieht. Vor Gericht begehrte die Antragstellerin erfolglos die Zulassung zum Auswahlverfahren für die Ausbildung; die Richter hielten es für rechtens, dass die Polizei die Frau abgelehnt hatte (so HessVGH, Beschluss vom 11. Juli 2014, Az.: 1 B 1006/14).

 

Dezent sollte es sein

Auch wenn Tätowierungen grundsätzlich erlaubt sind, sollten bei der Wahl der Platzierung das Gesicht, der Hals und zumindest die Unterarme frei bleiben. Sofern Tätowierungen schon vorhanden sind oder auf die Einbeziehung der Arme nicht verzichtet werden kann, ist darauf zu achten, dass die Tätowierung möglichst dezent und in Übereinstimmung mit dem Neutralitätsgebot der Beamten erfolgt. Kurz: Sie sollte sozialkompatibel sein. Die Rechtsprechung hat kleinere unauffälligere Tätowierungen ohne Symbolik als zulässig angesehen. Tätowierungen, die gewaltverherrlichende, sexistische oder allgemein die Würde des Menschen verletzende Motive oder verbale Aussagen oder Symbole enthalten, die einen Bezug zu extremen politischen Auffassungen herstellen, können ein Disziplinarverfahren und ggf. die Entfernung aus dem Dienst auch dann zur Folge haben, wenn sie im Dienstalltag nicht sichtbar sind! Da es keine Regel gibt, wann eine Tätowierung ästhetisch oder großflächig ist, unterliegt diese Beurteilung der Einschätzungsprärogative des Dienstherrn, der eine gewisse Neutralität gewährleisten muss. Der Dienstherr darf daher einschätzen, was der Großteil der Menschen noch toleriert und welches Bild er der Öffentlichkeit vermitteln möchte. Er muss dabei zwar berücksichtigen, dass Tätowierungen abgedeckt werden können, und prüfen, um was für eine Tätowierung es sich tatsächlich handelt. Da Lehrkräfte Vorbildfunktion haben müssen, um ihren staatlichen Erziehungsauftrag zu erfüllen, ist das Tragen auffälliger Tätowierungen im Schuldienst aber zumindest nicht unproblematisch. 

 

Wie ich es sehe

Die freie Entfaltung der Persönlichkeit ist in unserer Gesellschaft ein hohes Gut. Dennoch sollte das Erscheinungsbild von Lehrerinnen und Lehrern frei von Übertreibungen sein, sie sollten nicht durch auffällige Äußerlichkeiten persönliche, politische oder andere Einstellungen aufmerksamkeitswirksam zur Schau stellen. Dazu gehört auch, neben einem gepflegt wirkenden Äußeren, dass Tätowierungen, Brandings und ähnliches nicht sichtbar sein dürfen. Auch wenn bislang aus dem Schulbereich kein Verfahren bekannt ist, indem ein Bewerber oder eine Bewerberin aufgrund einer Tätowierung nicht eingestellt worden ist – die Thematik ist aktuell! Denn die Bezirksregierungen weisen Lehrkräfte immer wieder darauf hin, auch in den Sommermonaten langärmelige Hemden oder Blusen zu tragen, um ihre vorhandenen Tätowierungen an den Armen oder im Brustbereich abzudecken. Bei der Bewerbung für den öffentlichen Schuldienst sollten Tätowierungen deshalb so platziert sein, dass sie von der Bekleidung bedeckt sind – und keine extremen Inhalte transportieren. Reichen sie über den von der Bekleidung üblicherweise bedeckten Bereich hinaus, sollten sie zumindest dezent, ästhetisch und möglichst professionell gestochen sein. Sonst bleibt der Bewerber am Ende bildlich gesprochen – draußen.

 

Aktuelles Urteil:

Zwar hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf jüngst in einem Eilverfahren entschieden, dass ein Bewerber für den Polizeidienst nicht allein deshalb abgelehnt werden darf, weil er eine großflächige Tätowierung auf dem Unterarm trägt (VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. August 2017, Az. 2 L 3279/17). Ob die Rechtsauffassung der Düsseldorfer Richter, die Belege für einen gesellschaftlichen Wandel sehen, im Zuge dessen solche Tätowierungen bei Polizeibeamten toleriert werden müssten, eine Trendwende einleiten, bleibt indes abzuwarten. Gegen die Entscheidung des VG Düsseldorf hat das Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei bereits am 29. August 2017 Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Münster eingelegt. Und das OVG Münster hat zuletzt 2014 entschieden, dass das Land NRW Bewerber für den Polizeivollzugsdienst ablehnen darf, wenn sie großflächige Tattoos tragen, die im Dienst sichtbar sind (OVG NRW, Beschluss vom 26. September 2014, Az. 6 B 1064/14).

Michael König

Originalausgabe (PDF-Datei)

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